20020522.00

     Gestern abend habe ich die ersten sechzehn Absaetze der
Monadologie gelesen, so wie auch die ersten paar Seiten von
Ibsens Puppenheim (A Dolls House) Es ist moeglich das Ibsen Drama
als eine Darstellung (an acting out) der (kierkegaardschen)
Subjektivitaet deuten. Sagt doch Nora "Ich tue was fuer _mich_
das Richtige ist.

     Betreffs der Leibnizschen Schriften, so beeindurckt mich in
welchem Masse sie aus (tiefer) religioeser Ueberzeugung
entspringen.  Das Vorbild, die Vorlage fuer die Monade, ist das
Erlebnis des eigenen Ich, es ist ein restatement des Begriffs der
Seele und es ist somit ein Versuch das der Ueberlieferung
entsprechende Bewusstseinserleben mit der neuen, zum Teil sogar
von Leibniz selbst bereicherten Wissenschaft in Einklang zu
bringen.

     Die Theodizee hatte ich bisher geringschaetzig als eine
Verteidigung bestehender oder ueberlieferter Gotteslehren
betrachtet. Dies Urteil zielt auch auf das eigentliche
theologische Problem, aber in unrichtiger weise. Das
Gottesverstaendnis welches der Theodizee zu Grunde liegt ist noch
ein gemeisames, ist gemeinsam getragen von dem Einzelnen und der
Gemeinde, vergleichbar vielleicht mit dem Gottesverstaendnis das
uns aus Bachs Kirchenmusik anspricht. Es ist mir aber klar, dass
dies gemeinsame Gottesverstaendnis Grenzen hat, welche es
zuweilen dem Einzelnen als unzulaenglich, unbrauchbar erscheinen
lassen; richtiger order irrtuemlicher Weise, for better or for
worse, ist fuer mich jedenfalls, jedes gemeinsame Gotteserlebnis
mit einem streng individuellen ersetzt, einem Erleben so
persoenlich und einzigartig, dass sogar es in Erklaerungen
mitzuteilen unmoeglich ist.  Fuer ein solches Gotteserlebnis gilt
jede Theodizee als ueberfluessig wenn nicht gar geschmacklos.

     Andererseits ist es unverkennbar, dass die religioese Wucht
der Musik Bachs zum grossen Teil, wenn nicht gaenzlich daraug
beruht, dass diese Musik ihrem Wesen gemaess gemeinsam sein muss,
dass sie es nicht vermag strikt individuell zu wirken. Und eben
dieselben Gemeinsamkeit ist es, welche man in Leibnizens
Theodizee erkennen und anerkennen muss. Jedenfalls scheint es mir
notwendig die Theodizee zu lesen, als sei sie eine notwendige
Verteidigung des eigenen Glaubens. Weitere Aufschluesse fuer
diesem Glauben werden sich ergeben, indem ich fort lese.


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