20020525.01

           Leibnizens Monadologie als Expressionismus

     Wenn man, wie ich es tue, die Philosophie, oder genauer, das
philosophische Denken als Kunst betrachtet, so gewinnt man den
Vorteil auch diesen Bereich menschlicher Bemuehungen an Hand der
Kriterien, an Hand der Charakteristiken nicht nur der Literatur
im besonderen, sondern auch der bildenden Kuenste im allgemeinen
zu erklaeren und zu bewerten.

     Und wenn ich nun Leibnizens Monaden bedenke und deren
Beziehungen zu tatsaechlich Erlebtem so meine ich in seinen
Beschreibungen die Zuege des einseitig Uebertriebenen, eine
Verzerrung des Sinnes halber, zu erkennen, Uebertreibungen und
Verzerrungen welche den Expressionismus der bildenden Kuenste
bezeichnen.  Bemerkenswert ist ja auch, dass viele, wenn nicht
die meisten Bewunderer expressionistischer Zeichnungen an diesen
nichts unnatuerliches, nichts uebertriebendes, nichts
unglaubliches sehen, sondern, im Gegenteil, eine besondere ihnen
zusprechende Wahrheit.  Wie es die verschiedensten Blicke fuer
die Erzeugnisse der Kunst gibt, so mag es auch die
verschiedensten Verstaendnisse fuer die Erzeugnisse des Denkens
geben, und ebenso wie dem nichts im Wege steht ein
expressionistische Kunstwerk anzuerkennen fuer was es ist, und
zugleich im Klaren ueber das zu verbleiben was es nicht ist, so
steht dem nichts im Wege den Gedankenbau eines Leibniz (oder Kant
oder Hegel) anzuerkennen fuer was er besagt und bedeutet, ohne
den eigenen Blick, ohne die eigene Anschauungsweise aufzugeben.

     Die Vorstellung von einer auf Monaden begruendeten Welt muss
gedeutet werden als Gegengewicht, als Reaktion, gegen die seichte
Kartesianisierung welche die Welt in ausgedehnte, unendlich
teilbare Wirklichkeit reduziert.  Uebrigens vermute ich, dass
weitere Forschung es demonstrieren wird, dass weder Zeit noch
Raum unendlich ausdehnbare oder unendlich teilbare Kontinuums
sind, dass sich in ihren Extremen im (fast) unendlich grossen und
im (fast) unendlich kleinen Veraenderuingen, absolut qualitative
Veraenderungen metabases eis allo genos, harausstellen werden,
Veraenderungen in welchen die Begrenztheiten menschlicher
Subjektivitaet und Objektivitaet sich gegenseitig spiegeln.

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