20020528.00
Das Denken wird in jedem Falle durch die Sprache gestaltet;
und nur in und durch die Sprache vermag das Denken seinen
Ausdruck zu finden und offenbar zu werden. Demgemaess ist es
unmoeglich ohne das denken aufzugeben der Sprache, oder
jedenfalls, allgemeiner, der Symbolik zu entsagen.
Dabei ist aber der Grad des involvement der Sprache im
Denken verschieden. Es gibt Gedanken, oder Gedankenausdruecke,
thoughts or expressions of thought, welche sich in nur einfacher,
rudimentaerer Weise der Sprache bedienen; welche vornehmlich
Verlautbarungen der einfachen, ungegliederten und unentwickelten
Anschauung sind. Am anderen Extrem gibt es Gedanken welche der
einfachen Anschauung sehr weit entfernt sind, welche ihren Sinn,
ihre Bedeutung nicht unmittelbar aus dem erleben der Welt
schoepfen, sondern aus dem Verstaendnis anderer Ausdruecke, ,
UAsdruecke welche irhrerseits wiederum nicht unmittelbarer
Anschauung entsprechen, sondern Glieder einer Begriffskette sind,
deren Ende sich nur mit Muehe aufspueren laesst; manchmal aber
garnicht; so dass es scheint als bezoege sich das Denken nunmehr
ueberhaupt nicht auf das wirkliche Leben, sondern bewegen sich in
einem Kreise der keinen Anfang und kein Ende hat, und dessen
weder Anfang noch Ende aufzufinden sind. So etwa die Scholastik.
Das Denken laeuft immer Gefahr sich in eigenen
lebensfremden, oder jedenfalls mit dem Leben
unzusammenhaengenden, das Leben nicht beruehrenden Kreisen zu
bewegen. Diese Gefahr, so scheint mir, ist um etwas geringer,
wenn ein schriftlicher Aufsatz, in aphoristischem Stile zwar
fragmentarisch, aber unabhaengig und verhaeltnismaessig getrennt
dargeboten wird. Hingegen ist die Gefahr der Erlebnisfernheit
groesser, wo das Denken zu einem geschlossen System strebt, und
der dargebotene Begriff ausdruecklich auf andere Begriffe fusst,
wie ein Stein, wie ein Bauteil in einem groesseren Gebaeude.
Dergleichen System sind zwar zuweilen sehr imposant, sie machen
Eindruck und machen ihrem Verfasser Aufsehen und Ehre; aber sie
sind entsprechend schwer zu deuten, und bleiben wohl auch meist
entweder missverstanden oder unverstanden ueberhaupt.
So wiegen die einfache Unmittelbarkeit des Ausdrucks und der
vertflochtene Gedankenbau an Sinnigkeit einander auf. Das
voellig Einfache und Unmittelbare ist belanglos; Das komplex
Verwickelte das zum System wurde, ist unverstaendlich in einem
Masse, dass es bedeutungslos oder betruegerisch wird. Auch hier
ist der Mittelweg zwischen den Extremen der guenstigste.
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