20020702.00

     Das Denken sollte ein Abbild des Lebens sein, oder eine
Gebrauchsanweisung dazu; und wenn man das Denken versteht,
erkennt man, dass es tatsaechlich ein solches Abbild und und eine
solche Gebrauchsanweisung ist, wie kaerglich und verfehlt auch
immer; zuweilen auch, vielleicht meist, ein verzerrendes Bild und
eine verleitende Anweisung.

     Da der Mensch sich durch sein Denken als Einzelner entdeckt,
erscheint es ihm, dass die Grundlage seines Denkens die er zu
begreifen strebt, sein Eigenstes und Inwendigstes sein muss, das
was nur ihn betrifft, ihn abgetrennt und unterschieden von allen
anderen.  Aber auch schon diese Erwaegung, konsequent
durchgefuehrt, belehrt ihn, dass wie immer vereinzelt er sich
auch vorkommen mag, sein ganzes Dasein nicht nur in rein
biologischer Dimension sondern ebenso sehr in dem Gewebe des
Geistes, eine gemeinschaftliches, ein kommunales ist.  Das
gaenzlich auf sich gerichtete Erleben, wird als Subjektivitaet
gepriesen; und doch fuehrt die ausschliesslich auf das Ich
gerichtete Beziehung zur Vereinsamung und Verarmung.  Die
Vergesellschaftung hingegen bewirkt nicht nur Harmonie, sondern
unvermeidlich zugleich Uneinigkeit, Dissonanz, Feindseligkeit und
Streit.

     Wie immer entschlossen der Mensch sich auch seinem eigenen
Denken, seinen eigenen Gefuehlen, seinem Innenleben zuwendet, so
vermag er dennoch dies Erleben dem er sich widmet nicht zu
erschoepfen.  In seiner Form zwar ist die Besinnung auf sich
selbst einfoermig und unveraenderlich; aber die Erlebnisse welche
sich dabei entwickeln, finden kein Ende, wie einem der im Zug
oder im Auto sitzend aus dem Fenster schaut, fortwaehrend ein
neues Bild erscheint, der Hinausblickende aber und sein
Hinausblicken stets unveraendert dasselbe bleiben.

     Betrachtet und bedenkt man hingegen die Aussenwelt, so muss
man versuchen sie als unabhaengig von dem Beschauenden und
Betrachtenden, als unabhaengig von dem Inwendigen zu verstehen.
Und bei diesem Bestreben entdeckt man eine unueberblickbare,
unaufzaehlbare Vielfalt des Beobachteten, eine Vielheit welche
ihre gemeinsamen Nenner in der Einheit des Wahrnehmenden hat, in
der unvereinbaren Ungleichartigkeit (Unterschiedlichkeit) des
Wahrgenommenen, und in der unueberbrueckbaren Distanz des
Wahrnehmenden vom Wahrgenommenen; in der Tatsache, dass diese
(objektive) Vielheit unabaenderlich ausserhalb des betrachtenden,
empfindenden Menschen liegt; und doch sucht er sie sich
anzueignen und sich mit ihr zu versoehnen.  Und dies tut er,
indem er sie erforscht, in dem er sich von ihr Vorstellungen,
sich Bilder von ihr macht; in dem er ihr Namen gibt, Namen die
die Gegenstaende der Aussenwelt an den Vorstellungsbereich des
Einzelnen knuepfen (binden), und mehr noch, Namen die in der
Gesellschaftlichkeit der Sprache eine gemeinschaftliche
synthetische Wirklichkeit ermoeglichen, welche zum Beispiel in
der Journalistik, im Zeitungswesen ihren Ausdruck hat, und in der
Wissenschaft ihr Ideal.

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