20020719.00

     Du erwaehntest neulich Buddenbrooks und das Phaenomen des
Verfalls der Familie. In frueheren Jahren pflichtete auch ich der
ueblichen Deutung dieser Geschichte bei.  Vor einiger Zeit aber
verwandelte sich mir das Bild des buddenbrookschen Schicksals,
insofern mir die vorgebliche Bluetezeit jenes Geschlechts nun als
Taeuschung erscheint, als eine Epoche in welcher die
Familienmitglieder lediglich durch oberflaechliche und
aeusserliche Vergesellschaftung mit einander verbunden waren,
durch Taufen und Hochzeiten, und gezwungene Feierlichkeiten
verschiedenster Art; dass dies scheinbar glueckliche und
erfolgreiche Familienleben ein Schauspiel nach aussen war;
innerlich aber leer und oede; und dass letzten Endes die
verschiedenen Mitglieder dieser aeusserlichen Familieneintracht
ihre Leben in Einsamkeit und Verzweiflung fristeten, jedes nach
seiner Art, lives of quiet desperation, - ich glaube Thoreau hat
den Audruck gepraegt; eine Verzweiflung in welcher sie gefangen
sind, wie der juengere Bruder, - ich besinne mich eben nicht auf
seinen Namen, in der Irrenanstalt, und Tony in der Reihenfolge
ihrer missglueckten Ehen.  Befreit von dem Familienschicksal
werden sie letzten Endes nur durch die Aufloesung ihrer
Familienbande oder durch den Tod, whichever comes first.

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