20020731.00 Nach vielen Jahren unterbrochener Beschaeftigung mit den Problemen der Erkenntnis, bin ich zu Einsichten und Beschluessen gekommen fuer welche ich jedem Anspruch auf Urspruenglichkeit entsage, da sie mir so selbstverstaendlich erscheinen, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass sie nicht von anderen schon laengst entdeckt wurden. Es sind Beschluesse deren mutmassliche Neuigkeit nichts so sehr bezeichnen wuerde wie die Beschraenkun- gen meines eigenen Wissens. Aber bei Bemuehungen um Grundlagen des eigenen Denkens scheint es der Fall, mehr noch als bei an- deren Bestrebungen, dass man besitzt, dass man mit eigener Ue- berzeugung nur das auszusagen vermag, was man sich selbst auf eigene Weise, mit eigener Arbeit, geistig erworben hat. Das erfolgreiche Ergebnis einer Untersuchung setzt eine gerechte Fragestellung voraus. Denn die richtige Fragestellung befoerdert die Loesung, wenn sie die Aufgabe nicht sogar schon loest. Eine verfehlte Fragestellung aber verbaut unter Umstaen- den die Moeglichkeit jeglicher Loesung indem sie eine endlose Reihe neuer, unechter Probleme zeugt. In diesem Zusammenhang meine ich zu der Einsicht gekommen zu sein, dass die scheinbaren Probleme der sogenannten Philosophie nicht von Natur bestehen, sondern ausgerechnet im Laufe des Ver- suchs zu begreifen geschaffen werden, um hernach in die Ueber- lieferung einzugehen wo sie in ungereimten und widerspruechlichen Saetzen zum Ausdruck kommen, und dass demgemaess die von Ueber- lieferung geheiligten Begriffe, als unsere verdinglichten Gedanken, weit davon entfernt eine gegebene Problematik zu en- twirren nur dazu dienen sie zu veranschaulichen und sie am Ende dringender gestalten. So zum Beispiel die uralten Gegensaetze von Materiellem und Nichtmateriellem, von Koerper und Seele, von Stoff und Geist, dass diese Widersprueche nicht im Wesen der Natur, nicht im Wesen des Menschen oder der Dinge liegen, sondern dass diese Wider- sprueche Folge und Ausdruck menschlichen Denkens, menschlicher Begriffsbildung, menschlicher Sprache sind. Es sind Unterschei- dungen welchen im Bereiche der Wirklichkeit, oder der Natur, jegliche Bedeutung entgeht, so dass wir weder einer Leibnizschen praestabilierten Harmonie noch einer Kantschen Kritik unseres Verhaeltnisses zu einer transzendentalen Wirklichkeit beduerfen. Merkwuerdig, wie jeder Versuch die Wirklichkeit begrifflich zu fassen auf die Hypostase eines mehr oder weniger absoluten "Geistes" hinauslaeuft. Es ist als ob die Natur, wie ein un- durchsichtiges Glas, statt unserem Draengen nach Erkenntnis den Blick in die Wirklichkeit zu eroeffnen, nichts als, ver- fuehrerisch und taeuschend, den zudringlichen Geist zurueck- spiegelt. Somit erscheinen die metaphysischen Fragen, um die Seele, um Gott, um Unendlichkeit und Ewigkeit lediglich als Erzeugnisse des eigenen Gemuets ueber welche endgueltige Aufk- laerung unmoeglich ist, weil die Fragen gerade bei dem Versuch sie aufzuklaeren verstaerkt und immer von neuem geschaffen wer- den. * * * * *