20020731.02
Die moderne Erkenntnistheorie ist von den Errungenschaften
der Technik in einem Masse berauscht, dass sie meint ueberhaupt
nicht danach fragen zu muessen, zu sollen oder auch gar zu
duerfen, worin das Wissen besteht und worauf dessen Gueltigkeit
beruht. Statt zu fragen was denn die Wissenschaft eigentlich
sei, folgt sie stracks der Anleitung Kants mit seiner Frage wie
denn Wissenschaft moeglich ist, eine Frage welche das Bestehen
der Wissenschaft und die Tatsache ihrer Gueltigkeit voraussetzt.
Nun wird es auf den ersten Einfall als ein Wahnsinn
erscheinen hier zu sitzen und mit dem raffiniertesten
Computergeraet einen Aufsatz zu verfertigen der behauptet, dass
das Wissen auf welchem diese Technik fusst, irgendeines weiteren
Beweises, einer Rechtfertigung, einer Bewaehrung, irgendeiner
schluessigeren Demonstration beduerfen moechte, als eben die
Wirksamkeit der Technik welche sich hier so unleugbar bewaehrt,
welche vorgeblich in der Wissenschaft ihre Erklaerung hat. Der
Beweis der Gueltigkeit der Wissenschaft scheint unmittelbar aus
ihren vermeintlichen Folgen hervorzugehen, Folgen welche weitere
Ueberlegung ueberfluessig machen.
Und doch entsteht bei weiterer Ueberlegung die Vermutung,
dass vielleicht das Wirken auf etwas anderes als begriffliches
Wissen gegruendet ist. Fliegen denn die Voegel auf Grund
wissenschaftlichen Erkennens? Bedienen sie sich einer
wissenschaftlichen Lehre, wenn sie zielsicher ueber Laender und
Meere ziehen? Verfuegen denn die Bienen ueber eine Wissenschaft
mittels derer sie die Blumen finden aus deren Kelchen sie sich
den Bluetensaft sammeln, oder die Schmetterlinge, Monarch
butterflies, um alljaehrlich den Flug von tausenden von Meilen
zwischen Kanada und Mexiko zustande zu bringen? Wenn die gesamte
Tierwelt ihre Leistungen unabhaengig jeglicher begrifflichen
wissenschaftlichen Kenntnis vollbringt, waere es nicht eine
Anomalie wenn lediglich die Menschen es waeren deren Leistungen
eine Begruendung in der Wissenschaft, in der begrifflichen
Theorie, benoetigen, indessen alle anderen Lebewesen, soweit wir
es feststellen koennen, ohne eine solche Theorie glaenzend
auszukommen vermoegen? Wir brauchen uns nur selbst zu
betrachten, um zu erkennen, wie unabhaengig unsere Leistungen von
theoretischen Grundlagen sind, welche wir erst nachtraeglich fuer
sie zusammenraffen. Schon die Worte die uns so leichtfertig aus
dem Munde fahren sollten uns belehren, dass wir von fruehester
Kindheit mit einander sprechen ohne ueber das wie und warum den
leisesten Schimmer zu besitzen. Von den gesellschaftlichen
Einrichtungen, von der Landwirtschaft, von der Industrie gilt das
Gleiche. Lediglich die moderne Technik scheint der Theorie zu
beduerfen.
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