20020731.04
Vorgehende Erwaegungen sind von besonderer Bedeutung im
Rahmen der vermeintlichen Faehigkeit der Wissenschaft die Welt
restlos zu erklaeren und ergruenden, im Rahmen der Annahme dass
die Wissenschaft in ihrem Fortschritt wenn nicht heute, dann
morgen oder uebermorgen, eine vollstaendige, erschoepfende
Erklaerung der Welt liefern sollte. Im siebzehnten, und vor
allem, im achtzehnten Jahrhundert meinte man den Weg zu einer
solchen vollstaendingen Erkenntnis der Natur vor sich offen zu
sehen. Mit Ungeduld sann man darauf die erscheinende Natur mit
einer errechneten zu ersetzen. Diese Erwartung, welche auch der
zeitgenoessischen Erkenntnistheorie anhaftet, birgt ein grosses
Missverstaendnis der Wissenschaft, und hat die moderne
Philosophie oftmals in die vielen verschiedenen Sackgassen
getrieben in welchen sie sich verlaufen hat.
Es ist nicht einfach, die Missverstaendnisse die sich aus
der Ideologie, oder sollte man sagen, Mythologie der Wissenschaft
ergeben, zu vermeiden oder zu umgehen, geschweige denn die
Irrtuemer zu berichtigen welche diese Ideologie gebiert: so
ueberwaeltigend ist die Rolle welche der Glaube an die
Wissenschaft in unserem geistigen Erleben spielt. Besonders ist
dies der Fall weil statt des schlichten Erlebens, das formelle so
anspruchsvolle Wissen, wie es uns in Zeitschriften, in Buechern,
in Vorlesungen geboten wird, Wissen das eine sehr grosse Rolle in
der Schulung junger Menschen spielt, ueberhaupt einen
uebermaessig bedeutenden Teil unseres geistigen Lebens ausmacht.
Doch ausgerechnet deshalb ist es notwendig, um der Integritaet
und Gesundheit des Geistes halber, uns von diesem mannigfaltigen
Wissen welches sich als Wirklichkeit ausgibt nicht verleiten zu
lassen; und stets nur das als wirklich anzuerkennen, was
unmittelbar das Bewusstsein praegt; alle anderen Behauptungen und
Ansprueche aber, welche das Wissen an die Wirklichkeit stellt,
als ungehoerig einzuklammern, und zurueckzuweisen.
Beharren wir bei der Forderung stets nur das als wirklich
anzuerkennen, was unmittelbar das Bewusstsein praegt; so bekommen
gewiss auch die Lehrsaetze und Schlussfolgerungen der
Wissenschaft eine ontische Bedeutung, das heisst, man wird auch
den Lehrsaetzen und Schlussfolgerungen der Wissenschaft ein Mass
der Gueltigkeit zuschreiben. Aber diese Gueltigkeit ist nicht
jene welche gewoehnlich fuer die Wissenschaft beansprucht wird;
und es wird eine Gueltigkeit niedrigeren Ranges sein als jene
welche wir dem unmittelbar Bewussten zuerkennen.
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