20020807.04

     Es ist nicht ohne Vorbehalt, dass ich diese Notizen, welche
ich mir im Laufe der vergangenen zwanzig Jahren niedergeschrieben
habe unter der Ueberschrift "Betrachtungen" veroeffentliche.

     Es sind nichts als Tagebuchnotizen, Gedanken wie sie mir von
Tag zu Tag eingefallen sind, und beanspruchen nicht mehr zu sein.
Wenn sie eine gewisse Uebereinstimmung mit einander aufweisen so
ist dies der Fall, nicht weil ich beabsichtigte eine
zusammenhaengende These darzulegen, sondern weil sich mein Denken
im Laufe der Jahre aus denen diese Notizen stammen nur wenig
veraendert hat, eine Tatsache die kaum verwundern sollte da diese
Notizen erst in meinem dreiundfuenfzigsten Jahre ansetzen und
sich zwanzig Jahre, also bis in mein zweiundsiebzigstes
erstrecken.  Platon hat zwar bemerkt, dass erst der gereifte Mann
zu philosophieren sich anstellen sollte, aber so spaet im Leben
damit anzufangen, wie ich es getan habe, lag wohl nicht in seiner
Absicht.

     Ich habe verschiedentlich den Anlauf gemacht meine
Ausfuehrungen entsprechend den Themen mit welchen sie sich
befassen, zu ordnen.  Doch die Ergebnisse dieser Versuche meine
Betrachtungen systematisch geordnet darzustellen, haben mich nie
befriedigt, denn die Zusammenfuegung der verschiedenen
Betrachtungen erforderte Abwandlungen welche ihre Unmittelbarkeit
beeintraechtigten, und ihre Ueberzeugungskraft, jedenfalls meiner
Anschauung gemaess, verminderten.  Die verschiedenen Glieder in
einer Argumentenkette schoepfen Bedeutung ehr von einander als
von dem Erleben das zu beschreiben und zu erlaeutern sie
beanspruchen.  Meine Betrachtungen aber entspringen unmittelbar
meinem Erleben, und sind abgefasst dies Erleben umgehend zu
erlaeutern.  So schien es mir vorteilhafter die Betrachtungen in
derselben Reihenfolge wiederzugeben in welche ich sie
urspruenglich aufschrieb.  Trotzdem habe ich an einzelnen
Stuecken Verbesserungen unternommen so wie sie mir wuenschenswert
erschienen, und bin in diesem Sinne meinem Vorsatz nicht treu
geblieben.

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