20020809.00
Das Wuenschenswerte, das Desideratum, waere eine
voraussetzungslose Theologie, eine Theologie welche die Existenz
von weder Gott noch Teufel von weder Himmel noch Hoelle, von
weder Gutem noch Boesem voraussetzte, noch die Heiligkeit
irgendeiner Schrift; eine empirische Theologie, mit anderen
Worten, welche die oeffentliche Erfahrung und das innere Erleben
der Menschen widerspiegelte und erlaeuterte.
Mit einem begrenzten Recht darf man behaupten, dass es eine
solche Theologie schon gibt, dass die ueberlieferten Lehren von
Gott und Teufel, wenig oder garnichts ueber Gott und Teufel
besagen, aber alles ueber die sellsiche Beschaffenheit der
Menschen die sich in diesen Vorstellungen ergingen; dass diese
ueberlieferten Lehren von Gott und Teufel als Ausdruck der
Verfassung, der Hoffnung und der Angst der Menschen gedeutet
werden muessen. Eine gewisse seelische Traegheit aber verwirrt
das Bild. Denn der Mensch ist geneigt, auch im Geistigen, das
Bestehende als gueltig zu erkennen, und dies besonders in
Glaubenssachen. Er scheut sich das Sinnlose als sinnlos, das
Unsinnige als unsinnig, das Unbegreifliche als unbegreiflich
abzutun. So haelt er an vielem fest, das eine Bedeutung welche
es einst gehabt haben mochte, laengst verloren hat.
Am guenstigsten scheint es deshalb nichts, gar nichts
vorauszusetzen, anders als dass der Mensch lebt, dass er
naturgemaess sein Wohlsein anstrebt, und dass er sein Leben durch
Vorsorge und Handlung beschuetzen und erhalten muss. Das
Streben, das Ringen, der Kampf um das Dasein sind dem Menschen
unentbehrlich und unvermeidlich. Er wird sich der
Beschraenkungen seines Koennens, seines Wissens, seines
Verstehens bewusst; und aus dem Bestreben diese Beschraenkungen
aufzuwiegen findet als ein Bestandteil der menschlichen Seele,
den Gott dessen Wirksamkeit die menschlichen Unzulaenglichkeiten
ergaenzt.
Weil er Angst hat vor dem Tode, und dem Tod naturgemaess zu
entkommen sucht, ersehnt er sich ein ewiges Leben, und aus der
Sehnsucht wird Hoffnung, und die Hoffnung wird zum Glauben, zur
Zuversicht. Er versteht, dass seine Handlungen Folgen haben und
dass es Sinn hat sich zu ueberlegen, wie er handeln sollte. Seine
Ueberlegungen werden zu Regeln, zu Gesetzen, entwickeln sich zu
einer Ethik, zu einer Lehre von dem was er tun und lassen muss,
zu einer Lehre vom Guten und Boesen.
Zwar sind die Anlaesse zu seinen Bemuehungen erkenntlich,
die Bemuehungen jedoch laufen nicht selten ins Widerspruechliche,
Widersinnige, Irrationale aus, und verstricken ihn in Muehen und
Sorgen, deren er sich nicht zu entledigen vermag. So erklaere ich
mir die Theologie.
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