20020813.00
Mit der Ethik steht es wie mit der Erkenntnistheorie. Wir
meinen die Welt mittels unserer Wissenschaften zu begreifen, und
fragen uns, wie dies Begreifen, wie diese Wissenschaft moeglich
sei. Von Kant bis Cassierer das gleiche Thema, dieselbe Frage.
In der Ethik quaelen wir uns ab mit der Frage, wie wir das was
gut ist zu bewerkstelligen vermoegen. Manchmal stellen wir uns
vor die Frage, was denn das Gute sei. Die Moeglichkeit aber dass
es ueberhaupt das Gute nicht gibt, oder dass, wenn es das Gute
gibt, dessen Erkenntnis, gleich der Erkenntnis der Wirklichkeit,
gaenzlich jenseits des Bereiches unserer Faehigkeiten
sein moechte, scheint uns nicht einzufallen.
Auch in ihren irrtuemlichen Schlussfolgerungen laesst sich
die Ethink mit der Erkenntnistheorie vergleichen. Behauptet die
Erkenntnistheorie, dass es Wissen geben muesste, weil es Technik,
weil es Flugzeuge, Raumschiffahrt und Computer, die
vermeintlichen Ergebnisse des Wissens, gibt, so behauptet die
Ethik, dass es das Gute, dass es die Tugend geben muesse, weil
die Menschen von ihrer eigenen Wichtigkeit berauscht,
beanspruchen das Gute tun zu muessen.
Auch in der Auswirkung sind Ethik und Erkenntnis
vergleichbar. Denn die Tugend wie das Wissen ist ein
gesellschaftsbedingtes Verhalten, welches auszuueben dem
Einzelnen uebertragen wird. Die Besonderheiten von Ethik und
Erkenntnis, die Spezifizierungen des probaten Handelns wie des
probaten Denkens sind gesellschaftlich bestimmt. Auch die
Kriterien der Gueltigkeit haben in der Ethik wie in der Erkennens
einen gesellschaftlichen Zweck und dieser Zweck ist des
Geschlechtes Gedeihen im weitesten Sinne.
Dies von der Ethik und Erkenntnis beabsichtigte Gedeihen der
Gesellschaft begreift in sich auch das Gedeihen des Einzelnen,
wie denn ja auch der Einzelne ein unentbehrlicher Teil des
Geschlechtes ist. Vergeht der Einzelne, so ist das Geschlecht
verloren. Es ist kein Grund zur Verwunderung, dass betreffs des
gueltigen Wissens wie auch betreffs der wertvollen Handlung
Konflikte zwischen dem Interesse des Einzelnen und dem Interesse
der Gesellschaft entstehen. Die Dialektik von Ich und Geschlecht
ist im Wesen des Menschen begruendet. Mensch sein ist ein
Kompromiss zwischen Gesellschaft und Individuum, ein Kompromiss
dessen Spannungen zwar vermindert nie aber voellig geloest zu
werden vermoegen.
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