20021010.01
Wenn das Goettliche das Hoechste ist, dann ist das Verbot
ueber das Goettliche zu schreiben, zugleich ein Verbot ueber das
Hoechste zu schreiben. Wie bestimmt man die Grenze zwischen dem
Hoechsten worueber zu schreiben verboten ist, und dem Niedrigen,
worueber zu schreiben erlaubt ist? Moeglicherweise ist es auch
erlaubt von dem Hoechsten zu schreiben als ob es Niedriges waere,
wogegen man die Lasterhaftigkeit solchen Schreibens einwenden
mag, insofern es lasterhaft ist das Hoechste zu erniedrigen. Und
doch mit welchem Recht oder um welche Schuld auch immer, ist es
genau dieses, was ich versucht habe.
Ich schreibe vom Goettlichen als einer wohlbemerkt
menschlichen Leidenschaft, einer Leidenschaft des Menschen
durchaus vergleichbar mit Durst und Hungrigkeit, mit Freude und
Kummer, mit Erinnerung und Erwartung, mit Sehnsucht und Hoffnung,
kurz, vergleichbar, mit anderen Fakultaeten des menschlichen
Geistes; eine Leidenschaft welche bei verschiedenen Menschen in
verschiedener Weise zum Ausdruck kommt; welche in jeglicher
Gestalt gewuerdigt, und welche doch, in jedem Falle, als etwas
Menschliches verstanden werden muss. Und dies schliesslich ist
meine Entschuldigung, dass ich ja gar nicht vom Goettlichen
schreibe als etwas dem Menschlichen entgegengesetztes, sondern
als ein zum vollkommenen Menschein gehoeriger Bestandteil.
Des Menschen Vorstellung des Goettlichen, dieses
unentbehrlichen Bestandteils des Menschseins, wirkt wie ein
Gegengewicht zu des Menschen Schwaeche und Sterblichkeit, und
dient die Unzulaenglichkeit seiner koerperlichen und geistigen
Kraefte aufzuwiegen. Das Goettliche ist die Erweiterung, die
Projektion, die Ausdehnung des Subjektiven ins Objektive, des
Persoenlichen ins Gesellschaftliche, des Inwendigen ins
Aeusserliche. Dementsprechend ist das Goettliche ein
Widerspruch, welcher nur als Widerspruch, das heisst, nur
dialektisch zu bezeichnen ist.
Gottesbeteuerer und Gottesverneiner sind Spiegelbilder von
einander. Das Lob Gottes und das Leugnen Gottes besagen im
Grunde ein und dasselbe Missverstaendnis: insofern als die
Lobenden meinen, inneres Anschauen als sachliches Gebilde
befestigen zu koennen, indessen die Leugnenden meinen, inneres
Anschauen als sachliches Gebilde vertilgen zu muessen.
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