20021011.01

     Erkenntnistheorie ist die Besiegelung des Nicht-wissens;
Ethik ist die Besiegelung des Nicht-koennens, und Aesthetik ist
die Besiegelung der Nichtigkeit des Schoenen.

     Die Einsicht ist manchmal entmutigend; und noch
entmutigender, das Niederschreiben dessen was man meint erkannt
zu haben.  "Und sehe, dass wir nichts wissen koennen."  das war
ja schon die zerschmetternde Erkenntnis welche den Faust erst an
die Schwelle des Selbstmords, dann in die Arme des Teufels trieb.
Man sagt, Heinrich von Kleist habe dies Schicksal nachempfunden.
Ist es ueberhaupt erlaubt, und was moechte es bedeuten, diese
Einsicht, dass wir nichts wissen koennen, in leidenschaftsloser
Gelassenheit zu deklamieren?

     Aerger noch steht es mit der Ethik; denn im Stillen,
Geheimen, sind wir ja um die Ethik bekuemmert weil uns die Welt
in welcher wir Leben aengstigt, weil sie uns entsetzt.  Die Ethik
ist ein Schrei um Hilfe, an uns selbst gerichtet, weil wir
befuerchten die Schrecken des Daseins nicht zu ueberstehen, und
weil wir es spueren, dass von anderswo keine Hilfe zu erwarten
ist.  und dann verflackert auch dieses letzte Licht der Hoffnung.
Der (heilige) Geist soll unserer Schwachheit aufhelfen, weil wir
nicht wissen was wir beten sollen.  Aber der heilige Geist ist
nirgends wenn nicht im Einzelnen, und wenn der nicht erkennbar
ist, sind wir im dunkeln.


                            * * * * *

Zurueck

Weiter

Inhaltsverzeichnis