20021012.00
Der ethische Wert liegt nicht in dem Gehorsam sei es gegen
ein Gesetze oder gegen einen Menschen; sondern in den
Verbindlichkeiten der Leidenschaft. Die vorzueglichen
Leidenschaften sind Liebe und Hass. Eine leidenschaftslose
Tugend ist ein Unmoeglichkeit; und es ist eine leidenschaftliche
Liebe welche das Christentum uns gebietet, vorerst zu "Gott",
dann zu den Menschen. Man bemerke den Widerspruch in dem
Anspruch eine Leidenschaft zu gebieten, d.h., gesetztlich
vorzuschreiben.
Es war ein erschreckender Unverstand von Kant, die Tugend,
das ethisch Wertvolle von dem Gefuehl zu trennen,
von dem Wollen, von Leidenschaft, von Hoffnung und Freude, von
Verzweiflung und Leiden, und dabei die Tugend als etwas rein
rationelles darzustellen, als Befolgung eines Gesetzes. Das
Beharren auf die Gesetzmaessigkeit war jedoch Ausdruck des
Geistes jenes Zeitalters. Im Vergleich zu Kierkegaard: fuer den
war die Leidenschaft die seligmachende Tugend, wohlbemerkt, die
reine Leidenschaft zu Gott, die Besinnung auf sich selbst.
Das Gesetz, die Gesetzmaessigkeit der Handlung war fuer Kant
das Entscheidende, welches des Menschen Handlung bestimmt und
bannt. Indessen in der Tat die Menschen ihren Trieben
entsprechend, ihren Gefuehlen, Veraengstigungen, Hoffnungen,
Wuenschen gemaess handeln, Trieben von denen Kant nichts wusste
und/oder nichts wissen wollte. Kants ist eine logische
Maerchenwelt. Das einzig Zwingende an ihr ist die
Unerbittlichkeit, des Gesetzes, sei es nun der Natur, der
Erkenntnis oder der Ethik. Und des Gesetzes Notwendigkeit
entspricht, meinem Verstaendnis gemaess, nichts so sehr wie der
unerbittlichen (implacable) Selbstbehauptung die alles
schoepferischen Denken und Handeln begleitet, eine
Selbstbehauptung welcher der Lebens-, der Selbsterhaltungstrieb
des Menschen zu Grunde liegt.
Das Versagen der Gesetzlichkeit in der Ethik entspricht dem
Versagen der Gesetzlichkeit in der Gesellschaft, entspricht dem
versagen der Gesetze des Staates, und in fernerer Sicht auch dem
Versagen der vermeintlichen Gesetzlichkeit der Natur. Das
Versagen der Gesetzlichkeit ist, ganz im Allgemeinen, eine
Erscheinung der Entidealisierung wie ich sie anderswo beschrieben
habe. Denn das Gesetz ist zwar nicht das Ideal, ist aber eine
Entstellung des Ideals, ist eine Erweiterung (extension) des
Ideals.
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Die Ethik umfasst zwei grosse Gebiete: Die Ethik der
Gesellschaft und die Ethik des Individuums. Die Ethik der
Gesellschaft wiederum geht nicht in der staatlichen Gesetzgebung
auf, aber die staatliche Gesetzgebung ist ein Ausdruck der
Verlegenheit der Ethik.
Die individuelle Ethik hat wiederum verschiedene Teile:
1) Die Beziehung zur Gesellschaft als Ganze, zu den Gesetzen,
das Gehorsam den Gesetzen gegenueber,
2) Die Selbsterhaltung (des Lebens), des eigenen,
des Naechsten, des Volkes.
3) Die Beziehung zum Mitmenschen. Die Liebe und der Hass.
4) Die Beziehung zu den Tieren
5) Die Beziehung zu den Pflanzen
6) Die Beziehung zur leblosen Natur.
7) Die Gesetze der Religion
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In den Beziehungen zwischen den Menschen ist ein Ausgleich,
ein Equilibirum der Gefuehle, von gegenseitigen Neigungen und
gegenseitigen Abneigung ein Desideratum. Es ist problematisch
einen Menschen zu lieben der von dieser Liebe so belastet wird,
dass er mit Abneigung, mit Hass reagiert; und ebenso traurig ist
es zu hassen wo man geliebt wird.
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Die oeffentliche Gesetzgebung wird fortschreitend
verwickelter indem sich die Beziehungen der Menschen unter
einander verdichten; dies tun sie in Folge der
Mitteilungsfortschritte der Technik, der steigenden
Bevoelkerungsdichte, u.s.w. Zuletzt bricht die oeffentliche
Gesetzgebung zusammmen, (collapses, implodes,) weil sie von
Komplexitaet ueberlastet ist, waechst dann aber pflanzenartig von
einer uebrig gebliebenen Wurzel wieder auf.
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