20021013.04

     Ueber die progressive Entdaemonisierung der Welt.  Ins
besondere, ueber die Entdaemonisierung des Leidens, des Sterbens
und des Todes.

     Ob die Entdaemonisierung auch eine Progression, ein
fortschreitender Vorgang im Leben der Menschheit ist, wuesste ich
nicht zu sagen; in meinem eigenen Leben aber gehoert die
Entdaemonisierung zu den bedeutendsten der verschiedenen
Entwicklungen die ich bei mir beobachte.  Vorerst kommt ja
Daemonisierung als Folge der Unbeholfenheit zustande.
Unbeholfenheit des Menschen in Anbetracht seiner Welt und seines
Schicksals, in Anbetracht seiner Beziehungen zu anderen Menschen,
in Anbetracht seines Lebens, seiner Freuden, seines Leidens und
seines Sterbens.

    Die Entdaemonisiering wird zuletzt durh den Vorgang der
Daemonisierung verstaendlich. Daemonisierung ist das Verbinden
(Verkuppeln) der Erwartung mit der Leidenschaft, mit Zuversicht
oder mit Angst, und die Verkoerperung dieser
leidenschaftsgetraenkten Erwartung zu geistige Gestalten, zu
Goettern und Teufeln, zu ueber und unterirdischen Wesen
verschiedenster Art.  Aber auch zu feierlichen Begaengnissen,
Taufe, Hochzeit, Gottesdienst, Eucharist, Begraebnis; und ein
jedes Begaengnis nur stellvertretend fuer das Erleben, fuer die
Gefuehle, fuer die Gedanken, die Vorstellungen welche es vertritt.

     Entdaemonisierung ist die Entkoppelung der Erwartung von der
Leidenschaft, eine Losloesung welche uns befaehigt mit
Gelassenheit, mit Ruhe und stiller Ueberlegung alles was uns
bevorsteht zu erwarten, hinzunehmen, ueber uns ergehen zu lassen.
Vor allem bedarf es der Entdaemonisierung des Todes. Das ist die
grosse geistig-seelsiche Aufgabe des Alterns.

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