20030207.00
Es waere eintraeglicher ueber die Luege nachzudenken zu
diskutieren und zu schreiben als ueber die Wahrheit; denn
die Wahrheit ist dem Menschen unerreichbar; indessen ist die
Luege der buendigste Ausdruck der Natur des Menschen,
welcher er nicht zu entkommen vermag. Denn die aergste
Luege ist eben jene: die Behauptung von ihr befreit zu sein
oder auch nur befreit werden zu koennen. Denn die
Behauptung der Wahrheit setzt voraus, dass einer wuesste,
was Wahrheit ist. Da er es aber nicht weiss, ist jede
Vorstellung, dass er es wuesste, prima facie, die
Unwahrheit.
Es gilt also, nicht die Wahrheit zu suchen, zu finden
und zu feiern, sondern die Luege in ihrer Mannigfaltigkeit
zu begreifen und zu erklaeren. Die Luege entspricht, und
widerspiegelt den Gegensatz zwischen der Vorstellung und der
Wirklichkeit; denn dass sich die Vorstellung als
Wirklichkeit hervortut ist die urspruengliche, die grosse
und entscheidende Luege. Jede Vorstellung ist Luege,
insofern sie sich als Wirklichkeit ausgibt: insofern sie die
Wirklichkeit darzustellen, zu repraesentieren, zu vertreten,
beansprucht. Bezeichnend an aller Luege ist, dass der
Luegner im Laufe der Zeit an seine eigene Luege glaubt: dass
er von ihr ueberzeugt wird; dass aber dadurch, dass er sie
glaubt, die Luege als Luege aufgehoben und statt Luege zur
Taeuschung wird.
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