20030217.00
Die Voraussetzung, oder der Schluss, wie immer man
will, dass ich mich selbst oder die Welt verstuende; die
Voraussetzung, von irgendetwas, wenn nicht von der Welt,
dann von meinem Erlebnis von ihr, und schliesslich doch von
mir selbst, ueber ein zureichendes Verstaendnis zu
verfuegen; diese Voraussetzung hat mich das Leben hindurch
begleitet, ein Leben das unablaessig von Zweifel genagt und
von Enttaeuschung angeschlagen wurde, bis ich, indem ich
mich seinem Ende naehere, einsehe, dass diese Voraussetzung
der Zulaenglichkeit des Verstehens selbst ein Irrtum ist;
dass die Unbeholfenheit des Nicht-verstehens, des Nicht-
begreifens, als ein Teil des Lebens entgegengenommen werden
muss; und so, als Notwendigkeit, verarbeitet und verstanden.
Wie wenig ich von mir selbst weiss, wie unsicher und
unbestimmt meine Schluesse ueber mich selbst, ueber die
Subjektivitaet, wird unverkennbar sobald ich darueber
nachdenke. Auch dass die gedeutete, die objektive Welt
nicht verlaesslich ist, wurde mir unverkennbar. Da meinte
ich, dass in den Beziehungen zu anderen Menschen ein
geistiger, ein seelischer Halt zu finden sei. Es ergab sich
aber, dass die Beziehung zu dem anderen Menschen, zu dem
Naechsten eine Zwittersache ist, welche zwischen dem
Subjektiven und dem Objektiven schwebt. Statt dass die
Wahrheit ueber diese Beziehung die zugaenglichste,
vielleicht die einzig zugaengliche waere ergibt sich die
Wahrheit ueber diese Beziehung als die am tiefsten und
unergruendlichsten Verborgene.
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