20050524.00

     Ich meine einzusehen, dass die Kunst nur durch die
Geschichte der Kunst, dass die Literatur nur durch die Geschichte
der Literatur, dass die Wissenschaft nur durch die Geschichte der
Wissenschaft, erkannt zu werden vermag; bei welcher
Zusammenstellung, der Ausdruck Geschichte in seinem tieften und
urspruenglichsten Sinne verstanden sein will: Geschichte also ist
der Versuch das zu begreifen was eigentlich, was tatsaechlich
geschehen ist und geschieht.  Bei diesem Bestreben ist es ein
Fehler sich von dem scheinbaren arithmetischen Gleichmasses der
Zeit zu irrtuemlichen Schluessen verleiten zu lassen.  Denn die
juengst vergangenen oder die naechst bevorstehenden sechs Tage
sind was ihre Wirkung, (functionally) was mein Verstehen und mein
Handeln, an(be)langt (in Bezug auf mein Verstehen und mein
Handeln) voellig von sechs anderen Tagen zu unterscheiden die
sechstausend, sechshunderttausend oder sechs Millionen Jahre in
der Vergangenheit oder in der Zukunft liegen; nicht anders als
die hundert Meter welche sich hier vor meinen Augen erstrecken
mit hundert Metern im entfernten Weltall nicht zu vergleichen
sind.

     Diese beschraenkte Zeitspanne und dieser beschraenkte Raum
in dessen Mittelpunkte sich mein Bewusstsein jeweils befindet ist
der Ort meines Wissens und meines Verstehens.  Das Ausmass der
betreffenden Spannen ist jeweils nur im Rahmen (in the context)
des Gegebenen zu bestimmen.

     Die Verwandlung (Umwandlung, Transformation) eines Gewussten
in seine Geschichte besagt die Uebersetzung eines Schemas in
seine Verhaeltnisse, in sein Werden und Vergehen, in sein
Verstanden und Missverstanden werden.  Es ist unvermeidlich, dass
unser Erleben zu Schema wird, und es ist ebenso notwendig, dass
das Schema, so gewissenhaft wie nur irgend moeglich in neues
Erleben aufgenommen werden moechte.


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