20050714.01 Kants erkenntnistheoretische Schriften sind undurchsichtig genug. Wer sie liest, muss sich fragen, ob es die Unzulaenglichkeit der eigenen Intelligenz, des eigenen Verstaendnisvermoegens, ist, oder die Fehlerhaftigkeit der Darstellungen Kants, oder beide, welche dafuer verantwortlich zu machen sind, dass man sie nicht versteht. Was Kants Feststellungen ueber die Ethik, betreffs der notwendigen Handlung anbelangt, so liegen die Dinge voellig anders: denn hier kann in Bezug auf die entscheidende Behauptung kein Zweifel bestehen. Diese Behauptung bezieht sich auf die Gueltigkeit des Gesetzes, ins besondere auf die Verlaesslichkeit eines universellen allgemeingueltigen Gesetzes als Massstab fuer die eigene Handlung. Die Fehler einer derartigen Behauptung sind unverkennbar. Das Gesetz als ganzes und die gesetzliche Bestimmung als Teil sind logische, wenn man will quasi- mathematische Formeln welche sich vermeintlich auf ein gegebenes Erleben, auf eine vorliegende Besonderheit beziehen; jedoch wird ein solcher Bezug stets, seinem Wesen nach, Annaeherung, Approximation bleiben, und (fast) ausnahmslos, eine sehr grobe Approximation. Gesetz und Gesetzmaessigkeit sind jedenfalls insofern empirisch zugaenglich, als es ueberall staatliche Gesetze gibt. Die Gueltigkeit von Gesetz und Gesetzmaessigkeit braucht also nicht im Bereich der Theorie zu verbleiben. Sie kann am Erleben, and der Erfahrung geprueft und geeicht werden, und es ist moeglich zu bestimmen, was gegebene Gesetze im Einzelfall gebieten und verbieten. Jeder erfahrene Rechtsanwalt weiss, wie umstaendlich, ungenau und unbestimmt, die Vergleichung eines gegebenen Gesetzes- paragraphen mit den Umstaenden die es vermeintlich anspricht. Es bedarf nur fluechtiger Beobachtung um festzustellen wie willkuerlich, wie zufaellig, wie wenig im voraus bestimmbar die Auslegung und Anwendung eines jeden Gesetzes tatsaechlich ist. Aus dieser Perspektive allein, erscheint die Kantsche Morallehre ein Summum an Verantwortungslosigkeit. Das Guenstigste oder jedenfalls das Vernuenftigste dabei ist der Erzkonservatismus, ist die Unterstuetzung und Rechtfertigung staatlicher Maechte aller Arten, welche die kantsche Gesetzeshuldigung besagt; denn wenn ich Kant recht verstehe, so erkennt er kein Recht des Gewissens an der Gerechtigkeit des Gesetzes zu zweifeln, und weder Recht noch Gelegenheit ungerechten, zerstoererischen, in kurz, boesen Gesetzen zu widerstreben. All dieses, ohne die Frage nach der Willens- freiheit ueberhaupt angeschnitten zu haben. Aus der Perspektive der Hinfaelligkeit der Kantschen Ethik, muss auch seine Erkenntnistheorie in einem neuen, und frag- wuerdigen, Lichte erscheinen. * * * * *

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