20051111.01
Thomas Hardy
Unkept Good Fridays
There are many more Good Fridays
Than this, if we but knew
The names, and could relate them,
Of men whom rulers slew
For their goodwill, and date them
As runs the twelvemonth through.
These nameless Christs' Good Fridays,
Whose virtues wrought their end,
Bore days of bonds and burning,
With no man to their friend,
Of mockeries, and spurning;
Yet they are all unpenned.
When they had their Good Fridays
Of bloody sweat and strain
Oblivion hides. We quote not
Their dying words of pain,
Their sepulchres we note not,
Unwitting where they have lain.
No annual Good Fridays
Gained they from cross and cord,
From being sawn asunder,
Disfigured and abhorred,
Smitten and trampled under:
Such dates no hands have scored.
Let be. Let lack Good Fridays
These Christs of unwrit names;
The world was not even worthy
To taunt their hopes and aims,
As little of earth, earthy,
As his mankind proclaims.
Good Friday, 1927.
Dass vorstehende Gedicht "Unkept Good Fridays," von
Thomas Hardy, hat in dem Schrein des Verstehens, wenn nicht
des Erinnerns, seine eigene Stelle gefunden.
Es fusst auf der Vorstellung, dass Karfreitig gefeiert,
statt erlebt werden sollte. Die Einrichtung des Feiertages
stammt selbstverstaendlich aus der Bibel: "to keep the
Sabbath." Die oeffentliche Religion verwandelt das Erleben
in Ritus. Aber mit dem gefeierten Karfreitag vermag die
Seele kaum etwas anzufangen. Inbegriffen in die Vorstellung
des Feiertages ist die kirchliche Besitznahme des Erlebens,
welche dessen Fortentwicklung oder Erweiterung behindert,
laehmt, und letzten Endes unmoeglich macht. Die Folgerung
von Hardys Beanstandung moechte sein, dass, da nicht alle
Martyrer ihren Gedenktag haben koennen, dieser Gedenktag
ueberhaupt als Travestie des Leidens erkannt werden muss,
dass wegen der Universalitaet des Leidens der Gedenktag eines
besonderen Leidens, sei es auch goettlich, widersinnig ist.
Erbaulicher jedoch, waere es nicht das Gedenken des Leidens,
sondern dessen Feier als Missverstaendnis anzuerkennen und
entsprechend zu vermeiden. Die prototypische Feier ist der
umjubelte, so bald rueckgaengig gemachte Einzug in Jerusalem.
Die eigentliche Begruendung des Leidens des Gott-Menschen
liegt anderswo: in den Prophezeinungen des Jesajas von dem
verachteten, geschmaehten Menschen welcher dennoch oder
vielleicht gerade deswegen, als der Erwaehlte Gottes
erscheint. In diesem Sinne muss Karfreitag, wenn er
ueberhaupt als Gedenktag gilt, fuer alles menschliche Leiden,
fuer alle Gemarterten und Gepeinigten gelten.
Die Betrachtung des Karfreitags als des Gedenktages fuer
die Leiden aller Menschen, leitet dann den Blick unmittelbar
auf das ubiquitaere (allgegenwaertige) Kreuz welches mich in
grosser und kleiner, in gigantischer und winziger
Ausfuehrung, von Kirchturmspitzen, Halsketten, Brustnadeln
beschuetzt und bedroht. Ich habe mich oftmals mit
Verwunderung gefragt, wie es moeglich ist, dass Menschen von
den mittelalterlichen Kreuzfahrern bis zu den
zeitgenoessischen, in Angesicht dieses Leidenszeichens wenn
nicht gar um dessen Willen, ein solches Unmass von Leiden
ueber ihre Mitmenschen auazusschuetten vermoegen.
Und diese ist wiederum eine jener Fragen, die mir meine
Stumpfheit beweisen. Habe ich mich doch jahrelang mit dieser
Frage abgemueht, deren Loesung so unmittelbar augenscheinlich
ist. Das Kreuz, ob es auf dem Kirchturm protzt und droht, ob
es mit angenageltem Torso als Totem dient, oder ob es um den
Hals geschlungen, den Weg in den Busenspalt weist, muss als
Amulett verstanden werden, welches den der es traegt oder
erspaeht, vor der Marter des Kreuzestodes schuetzt; aber
lediglich ihn oder sie, und nicht unbedingt irgend einen
anderen; bedeutet wenn ich damit schwadroniere keineswegs,
dass es meinen Feind, den ich zu Tode quaele, vor meinem
Siegesbegehren, vor meiner Grausamkeit, schirmt. Ein solcher
Schutz ergaebe sich aus einer Naechstenliebe welche
geschichtlich zwar von der Kreuzessymbolik unabtrennbar
scheint; deren tatsaechliche Abtrennbarkeit jedoch von Tag zu
Tag aufs neue bewiesen wird. Unversehens hat also das Kreuz
auch mich zum Mohammedaner gemacht, indem das Kreuz mir zum
Entsetzenszeichen geworden ist, vergleichbar mit dem blutigen
Schlund des Raubtiers.
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