1. Gibt es so etwas wie Ethik? Hat es sie je gegeben?
Wo waere sie zu finden? Oder ist Ethik nichts mehr als eine
Aussicht, eine Erwartung, eine Hoffnung, ein Anspruch? Ist
sie im Stadium der Entwicklung, der Reife, des Verfalls?
Gibt es mehr als nur Versuche, nur Anlaeufe zur Ethik? Ist
Ethik positive Lehre oder dialektisches Problemgebilde? Ist
Ethik mehr als Phantasie?
1.1. Erkennen und Handeln: nach aussen und nach innen
Erkennen um die Welt zu begreifen; Erkennen um das Ich zu
begreifen; Handeln um die Welt zu gestalten; Handeln um das
Ich zu gestalten.
2. Ethik als Vorschrift dessen was sein sollte, als
Anweisung an den Einzelnen, was er zu tun habe, als Anweisung
an die Gesellschaft, als politisches Program, waere eine
normative Ethik.
3. Ethik als Beschreibung dessen, a) was der einzelne
Mensch tatsaechlich tut, b) was die Menschheit tatsaechlich
tut, waere eine empirische Ethik, wissenschaftlich im Sinne
der hippokratischen Praxis. Und doch wird die Beschreibung
des Tatsaechlichen zur Theorie, sobald sie begrifflichen
Ausdruck findet oder dessen bedarf.
4. Ethik als Theorie, als Gedankengebilde. Die
Bedeutung des Wahrheitsbegriffes in der Ethik. Der
Wahrheitsbegriff ist eine Bruecke (Verbindung) zwischen Ethik
und Erkenntnis. Die Theorie, allein schon wegen ihrer
begrifflichen (logischen) Gliederung legt die Optimierung
nahe, wenn sie nicht schon zu ihr verfuehrt.
5. Die Ueberlieferten Ansprueche: a) des juedischen
Gesetzes, b) der christlichen Liebe, c) des amtlichen
Gehorsams
6. Die objektive (sachliche) Ethik scheitert an dem
Unvermoegen die Wirklichkeit (Lebenswelt) zu begreifen, sei
es wegen dem Vorsprung des Geschehens vor unserem Meinen,
oder sei es aus Gedaechtnisschwaeche und Unverstand. a)
Zeitliche und raeumliche Ausdehnung macht die Welt
unerreichbar. b) Das Allgemeine ist wegen seiner
Begrifflichkeit unerreichbar. c) Das Besondere ist wegen
seiner Unauffindbarkeit unerreichbar.
7. Politik ist erweiterte und verflachte Ethik.
7.1. Im Hinblick auf das Ergebnis ist Politik
erweiterte Ethik, denn die Wirksamkeit des gesellschaftlichen
Beschlusses ist bedeutend weiter als die Wirksamkeit des
Beschlusses des Einzelnen. Im Hinblick auf die Leidenschaft
ist Politik verflachte Ethik, denn der Zwang des
gesellschaftlichen Beschlusses ist bedeutend geringer als der
Zwang des Beschlusses des Einzelnen. Der Anspruch
individuell ethische Erfordernisse politisch zu verwirklichen
stoesst auf unerwartete Schwierigkeiten, und hat
unvoraussehbare Folgen.
8. Die Unbestimmtheit, bezw. Unbestimmbarkeit der
Handlung. Was ist ueberhaupt: Handlung, Tat, action, deed?
Was ist Wille? Was heisst willentlich handeln? Was heisst
Freiheit des Willens? Was besagt es zu behaupten, dass man
tut was man will? Hier wie manch anderen Ortes, verrieselt
das Denken in Begriffe welche das Erleben nicht zu erreichen
vermoegen.
Die Voraussetzung eines freien Willens kommt auf
folgende Weise zustande: Man ist sich der Umstaende und
Aspekte der Umwelt innerhalb welcher man handelt, bewusst.
Man beobachtet seine Handlungen als wesentlichen Teil jener
Umwelt. Man bemerkt wie die Handlungen an die Umwelt
angepasst, mit ihr harmonisiert werden. Und eben weil es
moeglich ist die Abwandlungen mit welchen die Umwelt die
Handlung belastet und die Abwandlungen mit welchen die
Handlung die Umwelt belastet und also die Umwelt und die
Handlung zusammen, in einer einzigen Wahrnehmung zu erfassen,
beschliesst man, dass man die Macht besitzt die beobachtbare
und beobachtete Handlung zu steuern, dass man die Handlung
kontrolliert. Indessen doch tatsaechlich die Handlung
ausserhalb des Willens zustande kommt, als die Resultante
einer spezifischen wenn auch unbewussten Reaktion auf die
Umwelt und der jeweiligen Verfassung des Gemuets. Es sind
die unmittelbare Umgebung und die Struktur des Gemuets des
Einzelnen welche die Handlung bestimmen und steuern.
Man tut so, als ob man willentlich handelt, wenn man den
versengten Finger aus der Kerzenflamme zieht; tatsaechlich
ist das Zurueckziehen aber die Reflexreaktion auf die
Verbrennung. Handelte es sich um einen geringeren Grad der
Waerme so verliefe die Reaktion weniger geschwind, und
deshalb mit anscheinend groesserem Bewusstsein, aber dennoch
nicht weniger reflexmaessig als der Entzug des Fingers aus
der Flamme. All unsere Handlungen, all unsere Bewegungen
haben eine aehnliche, vergleichbare Basis. Was immer wir
tun, sei es Schreiten, Musizieren, Sprechen, oder gar
Schreiben. Je hoeher der Bewusstseinspegel, umso
freiwilliger erscheint die Tat. Mit anderen Worten, es ist
die vorrangige Empfindsamkeit (overriding sensitivity) mit
welcher man zugleich die Umwelt und das Geschehen der eigenen
Handlung wahrnimmt, welche den Menschen veranlasst auf das
Bestehen eines freien Willens zu schliessen.
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9. Der Wahrheitsbegriff ist eine Bruecke (Verbindung)
zwischen Ethik und Erkenntnis.
Die Bedeutung des Wahrheitsbegriffes in der Erkenntnis:
Fuer die Erkenntnis ist Wahrheit die Verlaesslichkeit des
Gewussten, und der Pruefstein der Wahrheit ist die
Wirklichkeit.
Die Bedeutung des Wahrheitsbegriffes in der Ethik: Fuer die
Ethik ist Wahrheit die Verlaesslichkeit des Mitgeteilten, und
der Pruefstein der Wahrheit ist der Mitteilende.
9.1. Die Wahrheit im Umkreise der Ethik ist die
verlaessliche Verbindung des Einzelnen mit dem Naechsten, mit
der Gesellschaft, und dies in Bezug auf die Darstellung des
Wirklichen (the representation of reality) und auf die
Mitteilung des Erkannten.
9.2. Wahrheit in der Ethik ist Mitteilung dessen wovon
man ueberzeugt ist, oder woran man glaubt.
9.3. Wahrheit in der Erkenntnis ist die Uebereinstimmung
des Mitgeteilten mit dem vormaligen oder kuenftigen Erlebten.
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