20060511.00
Es gilt die behauptete Objektivitaet der
Naturwissenschaft mit der unausweichlichen Subjektivitaet des
Wissenschaftlers zu vereinbaren. Koennte es sein, dass
Naturwissenschaft garnicht so objektiv ist, wie sie sich
bruestet? Scheint es nur so, weil der Wissenschaftler seine
Subjektivitaet in hohem Masse eingebuesst hat. Er hat sich
durch die Schule zur Objektivitaet dressieren lassen; hat
sich letzten Endes, der gesellschaftl;ichen Approbation
halber, des Ruhmes, des wissenschaftlichen Erfolges wegen,
selbst unerbittlich zur Objektivitaet dressiert. Gibt es ein
ueberzeugenderes Beispiel fuer diesen Vorgang als die
Mathematik?
Die wissenschaftliche Objektivierung hat zugleich eine
praktische und eine aesthetische Wirkung. Praktisch ist die
Wirkung, insofern sie die Kommunikation, die Mitteilung, die
Zusammenarbeit ermoeglicht. Aesthetisch ist sie, indem sie
dem Betrachter ein geschlossenes, symmetrisch befriedigendes
Weltbild schafft.
Der Nachteil, die Schwaeche aber der wissenschaftlichen
Objektivierung ist, dass sie den Geist an die symbolischen
Formen, an die Worte der Sprache und an die Zeichen der
Mathematik bindet, und somit den Geist zur Formel, zum Schema
erniedrigt und ihn seiner Spontaneitaet raubt. So werdem dem
Geist die Phantasie, die Einbildungskraft, die
Ungezwungenheit, die Spontaneitaet, verleidet, wo nicht gar
verboten.
Der Geist schwebt aber nicht nur in, sondern auch ueber
der Formel. Er bedarf mehr, zugleich hoeheres und tieferes
zu sein als ein schema. Der Geist draengt zur
Individualisierung, strebt zur einer Innerlichkeit eine
Strebensrichtung die bewiesen wird damit, dass Seligkeit
stets die Seligkeit des Einzelnen ist. In diesem Sinne kann
man auch Faust's Verzweiflung an seiner Wissenschaft, und
seine Wendung zur Magie, seine Suche nach dem Geisterreich
als Drang nach Innen, als Verzweiflung am Aussen, an der
Objektivitaet, deuten.
Endlich erscheint der naturwissenschaftliche Betrieb ein
Hin und Her zwischen Innen uns Aussen, zwischen Individuellem
und Oeffentlichem. Der Geist des Wissenschaftlers sehnt sich
die Schranken seines Ich's ins Meer des kommunalen Wissens zu
entfliehen, sehnt sich dann wiederum das objektive Wissen im
Subjektiven sublimiert zu wissen. Ach, der Geist des
Wissenschaftlers, er weiss nicht was er will.
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