d070730.01
Es ist die Eigenart unseres Erkenntnisvermoegens dass
es in allen seinen Erscheinungen begrenzte und bleibende
Gestalten schafft. Das Ohr verdichtet den Schall zu
Toenen, zu Silben und zu Worten; und Worte bezeichnen
Begriffe von spezifischen wiederholbaren Erlebnissen.
Diese Begriffe weisen auf identifizierbares Erleben, und
tun dies mit solcher Nachhaltigkeit, dass die Begriffe das
Erleben ersetzen und unter Umstaenden in ihren Wandlungen
und Verbindungen, Umsetzungen und Vertauschungen
(Permutations) ein synthetische Erleben schaffen.
Das Auge leistet dem Erkenntnisvermoegen andere, und
doch aehnliche und vergleichbare Dienste. In kaum
regelmaessigen zerstreuten Lichtempfindungen entdeckt das
Auge den Punkt, die Linie, die Flaeche, und sichtbare
Gestalten aller Arten. Diese Gestalten deutet das Gemuet
als Gegenstaende. Das Wesen der Gegenstaende ist
Bestaendigkeit. auch wenn sie fluessig sind, wenn sie
zerschmelzen oder verfliegen. Die Bestaendigkeit ist ihnen
offenbar nicht von Natur gegeben; sie wird ihnen von dem
Gemuet verliehen. Es ist das Gemuet welches die
Bestaendigkeit der Gegenstaende findet und erfindet. Die
unleugbare Unbestaendigkeit, Vergaenglichkeit die ihnen
anhaftet wird dann wiederum, in paradoxer, dialetischer
Weise bestaendig und unvergaenglich.
Jedes Ideal enthaelt einen Imperativ der
Bestaendigkeit und Identitaet, den Imperativ der
Begrenztheit gegen anderes. Idealisierung gestaltet nicht
nur das ethische und aesthetische Urteil: Idealisierung
gestaltet vor allem die Vorstellungen, die Begriffe und die
Urteile der Erkenntnis. Das Wesen und das Ausmass der
Idealisierung zu begreifen ist die eigentliche Aufgabe der
Erkenntnistheorie; Und Entidealisierung des Erlebens ist
der eigentliche Vorgang des Erkennens.
Denn alle Idealisierung taeuscht und tut dies in
unvermeidlicher Weise. Idealisierung ist ihrem Wesen nach,
Taeuschung.
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