20080128.00
Im Eifer die Welt, - und sich selber - mit ethischen
Geboten zu versorgen uebersieht man, wie unbestimmt das
Thema der Ethik doch ist. Sollte die Urfrage der Ethik
eine private sein: Wie soll ich mich verhalten? oder
sollte diese Frage eine oeffentliche sein: Wie soll die
Gesellschaft sich verhalten? Bekanntlich hat Kant es
darauf angelegt das Private mit dem Oeffentlichen zu
verknuepfen indem er forderte, der Einzelne moechte so
handeln, dass die Maxime seiner Handlung als universelles
Gesetz taugen koennte. Allein diese Formulierung
erschliesst eine neue Problematik, naemlich die
Unvereinbarkeit (Unstimmigkeit, incongruity) des logischen
Ausdrucks (logical expression) mit tatsaechlichem,
existentiellem Erleben; und es ist diese Unvereinbarkeit
welche der verordnenden (vorschreibenden) Ethik ein
unueberwindbares Hindernis (an unsurmountable obstacle)
bietet (darstellt). Denn die Verordnung muss
ausgesprochen, muss ausdruecklich (deutlich, eindeutig)
sein. Eine ausdrueckliche (explicit) Verordnung aber
vermag das existentielle Erleben wenn ueberhaupt nur im
Ausnahmefall zu erreichen. Tatsache ist, dass die
vermeintlich ethische Handlungsweise eine Schattenexistenz
dem wirklich Leben parallel, und doch unueberbrueckbar von
ihm gesondert, fuehrt. Zuweilen moegen ethische
Erwaegungen auf die aktuelle Handlung guenstigen Einfluss
haben. Ebenso oft aber wird die Handlung durch
vermeintlich ethische Erwaegungen entstellt oder
verfaelscht. Ein weiteres Hindernis ergibt sich daraus,
dass die herkoemmliche Ethik sich unbedacht auf die
vermeinte Freiheit des Willens verlaesst, eine Freiheit
welche jedoch kein kritisch bedaechtiger (nachdenklicher)
Mensch bei seinen eigenen Handlungen aufzuweisen vermag.
Eine rechtschaffene Ethik muss sich als Vorbedingung mit
der doppelten Problematik auseinandersetzen die daraus
hervorgeht, dass unsere Begriffe es stets nur vermoegen auf
die existentielle Wirklichkeit hinzuweisen, sie aber
niemals erreichen koennen, und dass die willentliche
Steuerung unserer Handlungen nur als Taeuschung, als
Illusion, verstanden werden kann. In Anbetracht dieser
Einsichten, muss die Ethik sich damit begnuegen, dem
wirklichen Dasein ein synthetisches Nebenspiel zu bieten.
Beispiel par excellence eines Systems der Ethik ist
die Gesetzgebung welche in der gesellschaftlichen Regelung
menschlicher Handlungen eine so bedeutende Rolle spielt,
und welche als ein unentbehrlicher Bestandteil (Komponente)
des Gesellschaftsgebildes erscheint. Dem eigentlichen
(subjektiven) Erleben ist das Gesetz sinnlos. Bedeutend
wird es indem es ein kuenstliches (berechnetes,
gekuensteltes) Wirkungsverhaeltnis (Kausalverhaeltnis)
schafft; wie denn auch das Begriffsgewebe der Sprache in
welcher es seinen Ausdruck findet (hervortritt) eine von
der Gesellschaft gestaltete (erkuenstelte) Wirklichkeit
darstellt. Und wie die Gesetzgebung letzten Endes ein
fremdes, bedrohliches Gefuege ausserhalb des Bewusstseins
des Einzelnen bleibt, so wird auch jede ethische Forderung,
weit entfernt, dass sie den Kern des individuellen
Bewusstseins darstellte, dem Einzelnen als ein
bedrueckender Zwang erscheinen, eben weil sie dem Einzelnen
von der Gesellschaft aufgenoetigt ist. Das Gesetz als
Quelle individueller Freiheit, (Und das Gesetz nur kann uns
Freiheit geben) ist eine Illusion des deutschen Idealismus.
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