20080714.02
Philosophische Schriften sind als Dichtung zu
verstehen. Die Sprache ist der unentbehrliche Schluessel
der ihren Sinn offenbart. Sie erschliesst die Geheimnisse
der Philosophie. Wie Dichtung als Mitteilung zu verstehen
ist, so ist auch Philosophie Mitteilung: Mitteilung von
Selbstverstaendnis und Weltverstaendnis.
Ist Mathematik gleichfalls eine Art Dichtung? Dass
Dichtung Ausdruck und Aeusserung des Sprachvermoegens ist
unterliegt keinem Zweifel. Wie verhaelt sich Mathematik
zur Sprache? Wie verhaelt sich die Faehigkeit zu rechnen
zur Faehigkeit zu sprechen? Wie verhaelt sich die
Verlaesslichkeit des Errechneten zur Verlaesslichkeit des
Ausgesprochenen?
Philosophische Schriften sind Dichtung, sind Poesie,
worin der Verfasser die eigenen Gedanken und Gefuehle
darlegt. Deshalb vermoegen philosophische Schriften nicht
wissenschaftlich zu sein. Und andere Schriftarten? Wie
waeren sie einzustufen? Philologie, Geschichte,
Naturwissenschaft, der Zeitungsartikel, die Proklamation?
Das Schrifttum erscheint als ein Spiegel verschiedenster
menschlicher Beschaeftigungen.
Jedes gueltige erkenntnistheoretische Verfahren muss
sich als Vorbedingung an seinem Anfang von vorgefassten
historischen Voraussetzungen befreien. Auch von der
Beherrschung durch vorgefasste begriffliche Vorstellungen,
wie etwa die der Mathematik, der Physik, und ganz im
allgemeinen, der Natur und Geisteswissenschaften. Nicht
dass das erkenntnistheoretische Denken dieser vorgefassten
Begriffe voellig zu entbehren vermoechte. Es bedarf ihrer
als Richtungsweiser auf das geistige Erleben. Das Denken
muss aber unter allen Umstaenden vermeiden jenen
vorgefassten Begriffen ontische Bedeutung zuzumessen. Sie
"sind" nicht, sie haben kein Sein, anders als in der
fluechtigen Gedankenfolge wo sie auf ein bestimmtes Muster
des Erlebens deuten. Der einzig gueltige Ausgangspunkt
(refernce point) des Denkens ist was ich jetzt erinnere,
worauf ich mich jetzt besinne, was ich jetzt verstehe, was
ich jetzt weiss.
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