20081129.00
Heute waere wenn ich recht erinnere, Karl Vietors 106.
Geburtstag.
Macht es ueberhaupt einen Unterschied, wenn man
uebersetzt, Du sollst Gott von ganzem Herzen und von ganzer
Seele und von ganzem Gemuet lieben, wie Luther es tut, oder
wenn man uebersetzt, Du sollst Gott in ganzem Herzen und in
ganzer Seele und in ganzem Gemuet lieben, wie ich meine
uebersetzen zu sollen.
Die Liebe wird sich stets inwendig im Liebenden
befinden. Ist es vorstellbar das Geliebte von der Liebe zu
trennen? Ist nicht gerade Liebe die Vereinigung des
Liebenden mit dem Geliebten? Ist nicht die Verwandlung
dieser Liebesbeziehung, und eigentlich jedes geistig-
seelsichen Verhaeltnisses in eine raeumliche, in eine
geometrische Frage, ein Irrtum? eine Dummheit?
Wenn meine Welt meine Vorstellung ist, sollte nicht
auch mein Gott meine Vorstellung sein? Und ist nicht
Vorstellung per definitionem im Gemuet, im Inneren, - und
ist es nicht schier unmoeglich dass die Vorstellungen
zweier Menschen uebereinstimmten? Wie koennte also Gott
anderswo als in der Innerlichkeit des Menschen bestehen?
Die Frage um die "Wirklichkeit" Gottes ist also
durchaus vergleichbar mit der Frage um die Wirklichkeit der
vorgestellten Welt.
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"und die findigen Tiere merken es schon,
daß wir nicht sehr verläßlich zu Haus sind
in der gedeuteten Welt. Es bleibt uns vielleicht
irgend ein Baum an dem Abhang, daß wir ihn täglich
wiedersähen; es bleibt uns die Straße von gestern
und das verzogene Treusein einer Gewohnheit,
der es bei uns gefiel, und so blieb sie und ging nicht.
O und die Nacht, die Nacht, wenn der Wind voller Weltraum
uns am Angesicht zehrt -, wem bliebe sie nicht, die ersehnte,
sanft enttäuschende, welche dem einzelnen Herzen
mühsam bevorsteht."
So Rilke. Der Baum am Abhang, den wir taeglich
wiedersehen, die Strasse von gestern, die Gewohnheit, und
die Nacht. Das ist was uebrig bleibt, nachdem die
Vorstellung als solche dahingefallen ist. Die
Unmittelbarkeit des Erlebens also, oder das unmittelbare
ungedeutete Erleben, die reine Wahrnehmung (welche es,
genau genommen, nicht geben kann.)
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