20081216.01 Ich habe keinen Grund anzunehmen, dass was ich zu schreiben habe fuer einen anderen, es sei denn als Brief an ihn gerichtet, auch nur von geringstem Interesse waere. Mein Irrtum, ist dass mein Schreiben sich fast ausschliesslich an mich selber richtet. Die beiden Romane, die Dichtung, wenn das Wort in diesem Zusammenhang ueberhapt erlaubt ist, erklaere ich mir als vorbeugend gegen den Schmerz und das Leiden. Den diesbezueglichen Urtext, - sicherlich wiederhole ich mich, wenn ich davon erzaehle, im 4. Buch Mose, 21:8, wo das Kunstbild die ehernen Schlange, als Verhuetungsmittel gegen das toedliche Schlangengift vorgeschrieben wird. Ich habe es schon lange als bemerkenswert empfunden, dass der Herrgott, der noch vor kurzem so auf die Abschaffung jeglicher Abbildungen erpicht war, in Angesicht der Schlangengefahr genau das Entgegengesetzte, die Nachbildung der Schlange befiehlt. Jedenfalls betrachte ich jene vom Herrgott befohlene bildliche Darstellung der Schlange als urspruengliche Einfuehrung der Kuenste, nicht nur der abbildenden, sondern auch der literarischen. Dementsprechend salbe ich mit den eigenen Worten die tatsaechlichen oder die eingebildeten Wunden der Seele. Selbstverstaendlich bin ich stets auf dem Quivive nach einem Leser oder einer Leserin, wie Kierkegaards "hiin enkelte". Bis jetzt aber hat mein Internet Angebot noch keinen Leser gefunden, nicht einen einzigen, ein Umstand der mich als natuerlich und selbstverstaendlich anmutet, und den ich eher belaechele als beklage. Das andere Schreiben, die zum Teil stuemmeligen Aufzeichnungen in Tagebuechern, sind die Spuren meines sehr vorlaeufigen Denkens. Sie sind mir unerlaessliche Wegweiser aus dem Gedankenlabyrinth. Ich schreibe auf, was mir von Tag zu Tag in den Sinn kommt; das laesst manchmal viel zu wuenschen uebrig. Dabei meine ich einzusehen wie die Besprechung, bezw. Beschreibung des Erlebens unerbittlich in Gegensaetze muendet: z.B. Gut und Boese, Seele und Koerper, Geist und Materie, u.s.w., Gegensaetze in denen nicht so sehr das Erleben des Einzelnen wie das Wesen der Sprache zum Ausdruck kommt. Das Erleben ist mit der Sprache jedenfalls insofern unvereinbar als es sich straeubt anders als dialektisch zum Ausdruck gebracht zu werden. Die Dialektik ist nicht die Aufhebung des Wirklichen. Die Dialektik ist Aufhebung der Sprache. Mich setzt in Verlegenheit, dass auch ich nicht zu vermeiden vermag, dass mein Denken sich in Dialektik verstrickt. Es ist der Widerspruch zwischen Subjekt und Objekt der in meinem Gemuet herumgeistert. Ich habe mich beim Lesen von Kierkegaard mit der Vorstellung infiziert dass nicht die erfahrene objektiv beschriebene Welt der Geistes- und Naturwissenschaften, das "Welt-Historische" die Wahrheit, bezw. die Wirklichkeit ist, sondern dass Wahrheit und Wirklichkeit im inwendigen, subjektiven Erleben des Einzelnen bestehen. Bin mir der Ungereimtheit dieser Behauptung bewusst, und sehe ein, dass sie in eine Dialektik, in ein Hin-und-her vom Ich zur Welt und umgekehrt, auslaufen muss. Ich deute die Subjektivitaet als das Erleben des Einzelnen: sein Denken und sein Fuehlen. Ich deute die Objektivitaet als die gesellschaftlich vereinbarte, sprachlich vermittelte Darstellung der Wirklichkeit, eine Darstellung welcher die unbeschraenkte Gueltigkeit welche sie beansprucht keineswegs gebuehrt, aber zugleich eine Deutung welche eine scheinbar schrankenlose Wirksamkeit menschlicher Zusammenarbeit ermoeglicht und somit, den Schein grenzenloser Wirklichkeit. Die erkenntnis(theoretische) Aufgabe ist in der Spannung und Dynamik dieser Dialektik zu denken; die ethische Aufgabe ist in der Spannung und Dynamik dieser Dialektik zu handeln. Ich entdecke eine theologische Bestaetigung meiner Auslegung in der christlichen Religion, in der Gestalt des Christus der als goettlicher Einzelner vom Volk, i.e. von der Gesellschaft, zerstoert wird, um diese in dialektischer Weise von ihrer sozialen Gebundenheit zu "erloesen" indem er das einzelne Gesellschaftsmitglied zur unbedingten Inwendigkeit, will sagen, zu Gott ueberfuehrt. Die Ueberzeugungskraft, der historische "Erfolg" des Christentums, beruht, wenn ich recht habe, auf der Tatsache dass die Leidensgeschichte Christi den Menschen diese Lebensdialektik von Ich und Welt zugaenglich macht, und dass es die Gueltigkeit dieser Dialektik ist welche die "Wahrheit" des Christentums verbuergt. * * * * *

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